Die jährliche Mitgliederversammlung des Berufsverbands klassischer Tierhomöopathen Deutschlands (BkTD) e.V. fand in diesem Jahr vom 12.-13. April in Georgenthal in Thüringen statt. Mit der Aufwertung dieser Pflichtveranstaltung des Verbandes durch das gemeinsame Erleben von Samuel Hahnemanns Wirken an historischen Orten nimmt der BkTD eine Tradition wieder auf, die während der Covid-Pandemie zu kurz gekommen ist.
In Georgenthal behandelte und heilte Samuel Hahnemann, der Begründer der Homöopathie, im Jahr 1792 den Staatsbeamten Klockenbring aus Hannover und befreite ihn von einer Psychose. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Behandlungen von Gemütserkrankungen, die häufig mit Züchtigung, Disziplinierung, Fixierung und Gewalt in Narrenhäusern mit Besichtigungsmöglichkeit durch die gemeine Bevölkerung einher gingen, setzte Hahnemann auf Gespräche und „homöopathische“ Behandlung, also eher menschlich-fürsorglich. Hahnemanns Erfahrungen aus der Zeit in Georgenthal flossen somit auch in die §§ 210 ff. des Organon 6 ein und bilden noch heute einen Leitfaden für die Behandlung von Gemütserkrankungen.
1792 war Hahnemann 37 Jahre alt, also für einen Arzt noch relativ jung. Darüber hinaus behandelte er Klockenbring in einer Zeit, in der er erst begann, sich mit den homöopathischen Prinzipien zu beschäftigen. Auf das Simile-Prinzip war er 1790 bei der Übersetzung von William Cullens „Materia Medica“ gestoßen, 1796 veröffentlichte er den Text „Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte in Arzneisubstanzen nebst einigen Blicken auf die bisherigen“. Dieses Jahr gilt als das „Geburtsjahr der Homöopathie“. Die erste Auflage des Organons wurde 1810 veröffentlicht.
Am ersten Tag des Treffens besichtigte die Delegation des BkTD das privat geführte Lohmühlen-Museum unter sachkundiger und anschaulicher Führung von Frau Susanne Strobel, das uns Einblicke in die Geschichte der Region gab. So sind im beeindruckenden Museum landestypische Handwerke, wie z.B. die Verarbeitung von Holz und Lohe für die Gerberei, Mühle, Korbmacherei und vieles mehr, dargestellt. Es gibt darüber hinaus vielfältige Eindrücke vom Leben und Arbeiten in vergangenen Zeiten. Auch die Bedeutung des das Tal durchfließenden Flusses Apfelstädt für die Energiegewinnung wurde deutlich.
Besonders interessant war für uns Tierhomöopathinnen der Teil der Ausstellung zur Homöopathie, die liebevoll mit Exponaten aus ganz Deutschland gestaltet war. Ein Schreiben von Samuel Hahnemann an seinen Freund Christoph Wilhelm Hufeland gab uns einen Eindruck von den damaligen Lebensumständen des Meisters und seiner Familie, schreibt er doch „In einer der rauhesten Gegenden m Thüringerwalde, in einem von drei Seiten verschlossenen Thale, wo bloß der inflammatorische Morgenwind Zugang hatte, bezog ich ein seit der Reformation unbewohntes Schloss mit 6 Schuh dicken Mauern und zwar par terre, wo eine dritthalb Jahrhundert modernde Luft und Ausdünstung aus den Wänden und dem Fussboden allmählich mein Lebenslicht verdunkelte. ….“: unvorstellbar, zumal er mit Ehefrau und 5 Kindern nach Georgenthal zog, ein sechstes Kind, seine Tochter Friederike, aus einer Zwillingsgeburt während dieser Zeit überlebte, und dazu noch ein „verrückter“ Patient teilweise mit in den Wohnräumen lebte.
BkTD-Mitglieder vor dem Portal zum Schloss-Innenhof Georgenthal
Der zweite Tag startete mit einer Exkursion unter Leitung von Herrn Roland Scharff, Diplom-Pädagogen und Historiker, rund um das Schloss Georgenthal. Herr Scharff ließ uns an seinen beeindruckenden Forschungen zur Geschichte der Region teilhaben. In mehr als einem halben Jahrhundert denkmalpflegerischer Arbeit hat er, häufig gemeinsam mit seinen Schülern, im einstigen Klosterort Georgenthal die Ausgrabungen und Reste des Zisterzienserklosters bewahrt. Darüber hinaus hat er mit Schülern das „Kornhaus“ als Heimatmuseum eingerichtet, um die Geschichte des Klosters Georgenthal zu veranschaulichen.
Nach der Besichtigung des Hexenturms, der Elisabeth-Kirche und den Ruinen des Zisterzienser-Klosters Georgenthal ging es in einen Teil der Wohnräume Hahnemanns, wo auch heute noch die „dritthalb Jahrhundert modernde Luft und Ausdünstung“ leibhaftig zu erfahren war. Auch die Gitterstäbe des Verlieses, in dem der Patient Klockenbring zeitweise untergebracht war, sind am Gebäude noch sichtbar.
Erläuterung zum Hexenturm | Von 1646 bis 1711 zählen die Akten des Amtes Georgenthal 71 Hexenverfolgungen auf. Noch heute zeugt ein Pentagramm an der südlichen Giebelseite von seiner dunklen Vergangenheit.
Vermutlich war Klockenbring hinter dem Fenster mit den Gittern zeitweise untergebracht
Die BkTD-Delegation mit dem Historiker Herrn Roland Scharff
Besonders beeindruckt hat uns das Engagement von Frau Strobel und Herrn Scharff, die zu großen Teilen in Eigeninitiative öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Die Gastfreundschaft der Bürgerinnen und Bürger der Region rundete ein erfolgreiches Wochenende ab.
Wer geschichtlich, nicht nur was die Homöopathie betrifft, interessiert ist, dem sei eine Reise in die Mitte Deutschlands empfohlen.
Weiterführende Links:
Die Forschungen von Herr Roland Scharff zur Geschichte Thüringens
Informationen zum Lohmühlenmuseum (inklusive des sehr empfehlenswerten Gasthauses)
Artikel von Hanspeter Seiler über die Behandlung Klockenbrings